Die Neuesten Richter
Zu Sokrates’ Zeiten
Vormals richtete Gott.
Könige.
Weise.
wer richtet denn itzt?
Richtet das einige
Volk? Die heil’ge Gemeinde?
Nein! O nein! wer richtet denn itzt?
ein Natterngeschlecht! Feig und falsch
das edlere Wort nicht mehr
über die Lipp.
O im Nahmen
ruf ich
Alter Dämon! dich herab
Oder sende
Einen Helden
Oder
die Weisheit.
Friedrich Hölderlin
Donnerstag, den 30. April 1998
Den Beginn der Veranstaltung markiert ein Walpurgisfest im Roten Salon, in dessen Verlauf bereits eröffnende und in Anlaß und Gegenstand des Tribunals einführende Vorträge und Aktionen stattfinden werden. Beginn: ca. 19h.
19.30 - 20.00h Begrüßung und Einführung durch Dietmar Kamper
20.00 - 20.45h Lesung Kate Millett aus ihrem Buch „Der Klapsmühlentrip"
20.45 - 21.30h Vortrag
und Aktion Rolf Schwendter: ‘Welcher Schatz liegt für die
Gesellschaft im devianten Verhalten verborgen?’
Rolf Schwendter, Professor für Subkultur in Kassel trägt vor,
trommelt und mischt ‘Alt-Heidelberger’Cocktails an der Bar.
22.00 - 23.00h Podiumsgespräch:
‘Autismus der Wissenschaften’.
Mitwirkende: Dietmar Kamper, Jacques Poulain, Wolfgang Kaempfer,
Bernd Ternes.
Freitag, den 1. Mai 1998
Das Verfahren wird am Nachmittag des 1. Mai auf
der großen Bühne eröffnet. Ankläger sind Thomas
S. Szasz, amerikanischer Anti-Psychiatrist der
ersten Stunde, Gerburg Treusch-Dieter, die als „Anspitzerin" auftritt,
und Wolf-Dieter Narr, beide Freie Universität Berlin. Dietmar Kamper,
FU Berlin, wird die Rolle des Gerichtsdieners übernehmen. Rudolf
Heinz, Heinrich Heine Universität Düsseldorf, wird ihm dabei
assistieren. Die Verteidigung wird berufen von Peter Kruckenberg, profilierter
Reformpsychiater und Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Bremen Ost. Der Verlesung der Anklageschrift folgen Hearings zur Beweisaufnahme,
in denen Experten und Gutachter unterschiedlichster Provenienz mit Vorträgen
und Kurzreferaten auftreten und von Anklage und Verteidigung zur Sache
gehört werden. Psychiatrieerfahrene werden als Zeugen der Anklage
und der Verteidigung aufgerufen und befragt. Das Prozeßgeschehen
wird begleitet und unterbrochen von künstlerischen Aktionen, Schauspiel
und Lesungen. Im Roten Salon finden, hauptsächlich während
der Pausen, begleitende Informations- und Diskussionsveranstaltungen
statt, das Programm wird noch bekanntgegeben. Ein ‘Meinungscontainer’
wird eingerichtet, in dem Stimmen zu Anlaß und Verlauf des Foucault
Tribunals aufgenommen, ausgewertet und dokumentiert werden.
15.00 - 15.20h Conférence des Gerichtsdieners Dietmar Kamper
15.20 - 16.00h Wolf-Dieter Narr: Exterminismus in Gesellschaft und Psychiatrie
16.00 - 16.45h Rede der Anklage - Thomas Szasz: The Case Against Psychiatric Coercion
16.45 - 17.15h Pause
17.15 - 18.00h Rede der Verteidigung - Peter Kruckenberg, u.a.
18.00 - 19.00h Beweisaufnahme:
Gerburg Treusch-Dieter, u.a.: Der Wahnsinn ist weiblich
19.00 - 19.30h Pause
19.30 - 20.15h Hinderk Emrich: Vernünftiges Wahrnehmen des Unvernünftigen
20.15 - 20.45h Einspruch:
Dietmar Kamper im Gespräch mit Rudolf Heinz
20.40 - 21.45h Pause
21.45 - 22.15h Rasende Wut, Blut einer
Träne. Vortrag von Renate Bauer über
Antonin Artaud
22.15 - 23.00h Lesung Herbert Fritsch aus Texten der Prinzhorn-Sammlung
Samstag, den 2. Mai 1998
12.00 - 14.00h Fortsetzung
der Beweisaufnahme:
Zwangseinweisung und Psychiatriereform. Kurzreferate von Ernst von
Kardorff, Georg Bruns, Alexander Meschnig, u.a. Berichte von Besuchen
in der Psychiatrie von Klaus-Jürgen Bruder.
Moderation: Klaus-Jürgen Bruder.
14.00 - 14.20h Pause
14.20 - 14.30h Hermann
Treusch liest aus Daniel Paul Schrebers "Denkwürdigkeiten
eines Nervenkranken" - erste Sequenz
14.30 - 16.00h Anhörung der Zeugen von Anklage und Verteidigung
16.00 - 16.30h Pause
16.30 - 17.30h Otto
E. Rössler und Jan Robert Bloch: Zur Physik des inneren
Beobachters. Entwurf einer „objektiven Subjektivität".
17.30 - 17.40h Hermann
Treusch liest aus Daniel Paul Schrebers „Denkwürdigkeiten
eines Nervenkranken" - zweite Sequenz
17.40 - 18.00h Pause
18.00 - 19.00h Im Kreuzverhör: Ellis Huber, Präsident der Ärztekammer Berlin
19.00 - 19.10h Hermann
Treusch liest aus Daniel Paul Schrebers „Denkwürdigkeiten
eines Nervenkranken" - dritte Sequenz
19.10 - 19.30h Pause
19.30 - 20.30h Plädoyers von Anklage und Verteidigung
20.30 - 20.45h Pause
20.45 - 22.00h Ausschnitte
aus „Der Großinquisitor" von Knut Gerwers. Herrmann
Treusch spielt.
22.00 - 22.15h Pause
22.15 - 23.00h Offenes Plenum. Währenddessen: Beratung der Jury
23.00 - 23.30h Urteil und Urteilsbegründung
Sonntag, den 3. Mai 1998
ab 11h Brunch
12.00 - 12.45h Roter
Salon:
Vortrag Jörn Ahrens: ‘Triff mich Tod. Ich bin vollbracht’.
12.45 - 13.30h Vortrag
Elke Heitmüller: Die Inszenierung der Grausamkeit zwischen
Gesetz und Leidenschaft. Von Sades leidenschaftlicher Seele zur leidenden
Psyche.
13.30 - 14.00h Pause
14.00 - 14.30h Vortrag Alexander Meschnig: Der Fall Rivière.
14.30 - 16.00h Auftritt des Prozeßberichterstatters Daniel Defert und Abschlußdiskussion.
Mitwirkende:
Jörn Ahrens, Hagai Aviel, Renate Bauer, Jan Robert Bloch, Georg
Bruns, Hinderk Emrich, Nora Ernst, Herbert Fritsch, Bärbel Garz,
Knut Gerwers, Elke Heitmüller, Rudolf Heinz, Sarah Heselhaus, Thomas
Hoffmann, Ellis Huber, Wolfgang Kaempfer, Dietmar Kamper, Ernst von
Kardorff, Peter Kruckenberg und weitere Vertreter der Verteidigung,
Bernd Laufs, Mahide Lein, Kate Millett, Armin Monsorno, Wolf-Dieter
Narr, Jacques Poulain, Andreas Pronegg und seine Theatergruppe, Erika
Radecki, Otto E. Rössler, Fritz Rudert, Alexander Schulte, Rolf
Schwendter, Thomas S. Szasz, René Talbot, Bernd Ternes, Herrmann
Treusch, Gerburg Treusch-Dieter, Don Weitz, Hans Peter Wittig.